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Gekaufte Rezensionen nur mit Kennzeichnung

LG Hamburg entscheidet für Amazon: In Auftrag gegebene Kundenbewertungen nur mit gesondertem Hinweis zulässig
Amazon als Vorreiter des E-Commerce

Quelle: Sagar Soneji via Pexels

LG Hamburg entscheidet für Amazon: In Auftrag gegebene Kundenbewertungen nur mit gesondertem Hinweis zulässig

Ein Großteil der Verbraucher trifft die Kaufentscheidung beim Online-Shopping anhand zweier Kriterien – dem angebotenen Preis sowie den Meinungen anderer Kunden, ausgedrückt in Form von Rezensionen. Gute Bewertungen oder sogar klare Empfehlungen stellen daher den Ritterschlag für jedes Produkt im E-Commerce dar und sind entsprechend heiß begehrt.

Diesen Umstand machte sich jüngst ein findiges Unternehmen zunutze. Gegen eine festgelegte monatliche Vergütung fungierte die Internetseite als Vermittler zwischen Anbieter und einem Pool von Produkttestern, die eine Vergütung für das Verfassen von Kundenbewertungen erhielten. All dies geschehe in voller Übereinstimmung mit den geltenden Richtlinien der Handelsplätze.

So die Behauptung der Beklagten. Online-Gigant Amazon ging gerichtlich gegen dieses System vor – und bekam jetzt vor dem LG Hamburg Recht zugesprochen. Gemäß des Urteils Az. 315 O 464/19 vom 12. März 2021 versäumte es das angeklagte Unternehmen in mehreren Fällen, den Rezensionstext mit einem angemessenen Hinweis zu versehen, der auf den gewährten finanziellen Vorteil aufmerksam macht.

Rechtliche Hintergründe und Ausgangslage

Ob mit einem schlichten Punktesystem oder ausführlichen Beschreibungen, das Bewerten von Produkten stellt mittlerweile einen zentralen Bestandteil des Internetalltags dar. In einem Urteil vom 20. Februar 2020 (Az. I ZR 193/18) drückte der BGH die Relevanz von Rezensionen wie folgt aus:

„(…) ist zu berücksichtigen, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Handelsplattformen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen.“

Online-Shopping auf Grundlage von Bewertungen

Quelle: PhotoMIX Company von Pexels

Weiterhin heißt es:

„Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch die Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.“

Damit nahm der Gerichtshof auch unmittelbar Bezug auf das Vorgehen von Amazon, in diesem Fall ebenfalls als Klägerin aktiv. Auf dem Portal des Online-Händlers seien Rezensionen deutlich als solche zu erkennen und werden von der Kundschaft stets getrennt von allen weiteren Produktinformationen oder sonstigen Daten wahrgenommen.

Amazon unterliegt hier zwar keiner Haftung für die Aussagen seiner Nutzer, so die Ansicht des BGH, hat aber (wie der aktuelle Fall zeigt) sehr wohl ein akutes wirtschaftliches Interesse daran, beim Feedback für Ehrlichkeit und Transparenz zu sorgen. Der Konzern würde sich sonst angreifbar machen. Zudem gilt: Wer das Aufkeimen unlauterer Methoden im Kleinen nicht unterbindet, kämpft alsbald mit weitreichenderen Verletzungen, die etwa den integralen Markenschutz gefährden.

Geschäftsidee: Die Vermittlung von Feedback

Konkret machte die Beklagte mit einem attraktiven Internetauftritt auf sich aufmerksam. Dieser warb mit Überschriften wie „Rezensionen durch echte Produkttester“ und versprach dabei vieles. Veröffentlichungsquoten von über 75 Prozent beispielsweise oder kostenlose Testphasen für Neukunden. Auf der Seite selbst wurde das eigene Angebot wie folgt zusammengefasst: „Ob Sie über Amazon (…) oder andere E-Commerce-Plattformen verkaufen – gemeinsam mit unserem motivierten und bewährten Testerpool generieren wir wertvolles und authentisches Kundenfeedback“.

Gleichzeitig brüstet sich das Unternehmen damit, gegen keinerlei geltendes Recht oder Regelungen der einzelnen Anbieter zu verstoßen. Slogans wie zu 100 Prozent Amazon-konform oder „alle Richtlinien zu kennen und diese immer vollständig einzuhalten“ suggerierten der angesprochenen Zielgruppe eine Garantie von Sicherheit, die sich im Nachhinein als falsch herausstellte. Als Experten für Internetrecht kennen wir die Schwierigkeiten, die mit einem (im besten Fall) uninformierten Agieren im kommerziellen Bereich einhergehen und (schlimmstenfalls) zu unverhofften Rechtsbrüchen führen.

Feedback entscheidend nach einer Bestellung

Quelle: Erik Mclean von Pexels

Das Vorgehen der Beklagten im Detail

Ein Hersteller, der seine Waren bei Amazon oder auf alternativen Seiten anbietet, möchte zusätzliches Feedback in Form von echten Kundenbewertungen generieren. Nach der Kontaktaufnahme fällt im ersten Schritt die Registrierung auf der Homepage der Angeklagten an. Erst danach wird das fragliche Produkt an die Geschäftsadresse versendet. In der Rolle des Vermittlers leitet die Beklagte dieses daraufhin an einen durch ein internes Auswahlverfahren bestimmten Produkttester weiter. Nach Erhalt der Ware bleibt eine Frist von 30 Tagen, um (zunächst nur auf der eigenen Plattform) die Bewertung abzugeben.

Die Belohnung des Testers lag für gewöhnlich darin, dass das erhaltene Produkt in dessen Eigentum übergeht. Auf spezifische Vorgaben in Bezug auf die Inhalte der Bewertung wurde verzichtet – eine nicht unerhebliche Differenzierung, ist das Versprechen einer Gegenleistung für positives Feedback gemäß des deutschen Lauterkeitsrechts doch immer unzulässig. Mit Verkündung des Urteils Az. 4 U 48/13 vom 10. September 2013 ging das OLG Hamm sogar so weit, dass jegliche gekaufte Kundenbewertungen zu unterbinden sind, falls denn eine eindeutige Kennzeichnung dessen fehle. Andernfalls handele es sich um eine bewusste, wettbewerbswidrige Irreführung.

Die Kennzeichnungspflicht sollte auch im vorliegenden Fall zum Verhängnis werden und bot Amazon einen Ansatz, gegen das beschriebene Geschäftsmodell vorzugehen. Problematisch waren nämlich die Rezensionen, welche die Tester später über das interne System hinweg auf den verschiedenen Portalen veröffentlichten. Die Angeklagte kommunizierte zwar offenkundig, dass diese externen Bewertungen auf freiwilliger Basis ablaufen, ein Verständnis des Geschäftsmodells impliziert jedoch eine starke Abhängigkeit von genau diesem „Bonus“. Zum Beispiel ergänzte die Beklagte erst nach Zustellung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt die AGB der Seite um folgende Erklärung:

„Es ist Dir freigestellt, zu jedem Produkttest eine Amazon-Rezension abzugeben. Auch darfst du Rezensionen zu dem Produkttest auf anderen Plattformen veröffentlichen. Solltest Du auf Amazon oder einer anderen Plattform Deine Rezension veröffentlichen, so bist Du dazu verpflichtet darauf hinzuweisen, dass Du ursprünglich beauftragt wurdest, für das entsprechende Produkt eine nicht öffentliche Rezension zu verfassen und im Gegenzug einen vermögenswerten Vorteil erhalten hast“

Feedback beim Einkauf auf verschiedenen Plattformen

Quelle: Negative Space via Pexels

Kontrolle ist besser

Die Klarstellung der Konsequenzen bei Zuwiderhandeln gegen die Kennzeichnungspflicht erfolgte ebenfalls:

„Deine Chance auf die Zuteilung von Produkten ist nicht davon abhängig, ob Du Amazon-Rezensionen veröffentlichst, allerdings führt ein Verstoß gegen unsere AGB, geltendes Recht, Treuepflichten und dergleichen unweigerlich dazu, dass wir Dir keine Produkte zum Testen mehr anbieten werden.“

Für die Beklagte war mit diesen (und ähnlichen) Aussagen eine klare Position geschaffen und der eigenen Verantwortung zu genüge nachgekommen.

Angreifbar machte sie sich, als gleich mehrere der beauftragten Produkttester bei ihrem Feedback im Shop von Amazon nicht den erforderlichen Hinweis auf die erhaltene Vergütung beifügten. Der Online-Händler mahnte umgehend ab und reichte Klage vor dem LG Hamburg ein. Das Gericht entschied nach eingehender Prüfung schließlich zugunsten des Online-Händlers und verurteilte die Angeklagte auf Unterlassung gem. § 8 Abs. 1 UWG.

Der Urteilsspruch beschreibt eindeutig, dass die Pflicht des Vermittlers über allgemeingültige Erklärungen hinausgeht und eine weiterführende Kontrolle der Bewertungen beinhalten muss – inklusive des von den Testern abgegebenen Feedbacks auf Amazon:

„Jedenfalls treffe die Beklagte nämlich eine – hier mit Blick auf die unstreitigen Fälle der Nichtkenntlichmachung verletzte – Prüfpflicht dahingehend, ob solche Hinweise tatsächlich erfolgten.“

Die Folgen des Urteils

Der Beklagten wurde unter anderem strikt untersagt, weiterhin eine Plattform für bezahlte Kundenbewertungen zu führen, wenn nicht alle rechtlichen Vorschriften bis ins kleinste Detail eingehalten werden. Denn das bisherige Verhalten ohne zusätzliche Prüfung bzw. Sicherstellung der Hinweise stelle einen deutlichen Verstoß gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG dar:

„Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“

LG Hamburg entscheidet zugunsten von Amazon

Quelle: Towfiqu Barbhuiya von Pexels

Als „Verbraucher“ wird hier der durchschnittliche Nutzer des Online-Shops von Amazon bezeichnet, der über die Angebote stolpert und sich von den nicht ausreichend gekennzeichneten Bewertungen beeinflussen lässt, wie § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG präzisiert:

„Der Verkehr wird bei Produktbewertungen grds. davon ausgehen, dass diese grds. ohne Gegenleistung erstellt werden. Er mag den Bewertungen zwar nicht den gleichen Stellenwert einräumen wie redaktionellen Beiträgen, jedoch davon ausgehen, dass die Bewerter die Produkte auf Grund eines eigenen Kaufentschlusses erworben haben und nunmehr ihre Bewertung unbeeinflusst von Dritten mitteilen. Auf dieser Grundlage basiert die Idee eines jeden Bewertungsportals bzw. der Produktbewertung in Verkaufsportalen.“

Das Gericht oder vielmehr das UWG wird demnach seiner primären Aufgabe gerecht und schützt den Verbraucher vor unlauterem Wettbewerb, vergleichbar etwa mit gewissen Verboten bei Werbeaussagen.

Darüber hinaus kann das Urteil als großer Sieg für Amazon und andere E-Commerce-Seiten angesehen werden, die ein wenig Kontrolle über die vielseitigen externen Einflüsse zurückgewinnen. Profitieren die Anbieter zwar grundsätzlich von einem breiten Spektrum an Bewertungen, sollten die abgegebenen Meinungen doch so transparent wie möglich ausfallen. Feedback, dessen Veröffentlichung auf einer Gegenleistung basiert, darf diese Tatsache nicht unerkannt lassen und muss zwingend mit einem angemessenen Hinweis versehen sein. Das beste Beispiel liefert Amazon selbst, mit dem hauseigenen Vine-Programm (ehemals Club der Produkttester).

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